Lillehammer auf die Schnelle – oder warum ich mich nach vier Tagen wie einhundert fühle

Am Donnerstag, saumässig früh ging mein Kurztripp los, am Sonntag, saumässig spät endete er wieder – Lillehammer auf die Schnelle, sage ich dazu. Aber auch, es hat sich absolut gelohnt!


Florian wünschte sich letzte Weihnachten – unter anderem – Zeit mit mir. Ein schöner Wunsch, den ich ihm gerne erfüllte. Er hatte nämlich auch schon die Idee, wie und wo wir die gemeinsame Zeit verbringen könnten: In Lillehammer, beziehungsweise Sjusjøen mit Langlaufen. Da man definitiv nur im Winter langlaufen kann, war der Zeithorizont auch klar begrenzt: irgendwann zwischen Januar und April 2019. Januar ging bei mir nicht, da war ich in Ecuador. März geht bei mir nicht, da bin ich in Slowenien. März und April geht bei Florian nicht, da düst er irgendwo in der Weltgeschichte herum. Es blieb der Februar, also letztes Wochenende.

Florian war so nett, alles zu organisieren, ich musste am Donnerstag nur rechtzeitig auf den Zug und dem Abenteuer freudig entgegensehen. Was ich natürlich tat, denn – he Leute, es ging nach Norwegen! Stefan fuhr mich auf den sechs Uhr Zug in Rubigen, eine halbe Stunde später ging es zusammen mit Sohnemann nach Kloten. Wieder etwas später sassen wir in der Swiss-Maschine nach Gardermoen. Der Flug war eigentlich ganz kurz, dennoch ein Genuss, denn – he Leute, es ging nach Norwegen! Offenbar sparte ich während des Flugs nicht mit Lob bezüglich Service, denn als Florian und ich aussteigen wollten, brachte eine Flight-Attendent einen ganzen Sack mit Swiss-Schokolade, als Dankeschön für mein Lob. Das war echt nett und half uns über den ersten Hunger hinweg.

Im Flughafen holten wir unser vier-mal-vier Auto ab und los ging es Richtung Lillehammer. Nach rund zweieinhalb Stunden (der E6 fehlt immer noch ein grosses Stück hinter Hamar) fuhren wir stolz in die Olympia-Hauptstadt von 1994 ein und bezogen unser Zimmer im «Clario Collection Hotel». Keine zehn Minuten später waren wir bereits umgezogen, denn wir wollten den Tag nutzen und noch etwas auf die Loipe gehen. Zuerst jedoch liessen wir es uns bei feinen Waffeln und Kakao gutgehen – in diesem Hotel gehört das z’Vieri zum Standard. Danach ging es dann hinauf nach Sjusjøen, dem Langlaufparadies schlechthin. Florian kannte die Gegend bereits, denn er war 2017 mit Lea dort, allerdings im Sommer. Die Strasse hinauf war schneebedeckt, die Umgebung tiefster Winter. Wahnsinn, denn in Bern herrscht bereits Frühlingswetter.

Wir parkierten bei der Biathlonanlage, schnallten die Skier an und los ging es. Es war bereits am Eindunkeln, aber wir wussten, dass hier eine beleuchtete Loipe war und machten uns wegen fehlendem Licht keine Gedanken. Zudem hatten wir Stirnlampen dabei. Schnell einmal merkten wir, dass diese Loipe nicht unbedingt das Gelbe vom Ei für «Klassik-Läufer» war, es ging fast nur steil hoch und runter, sodass wir uns von den Lampen weg ins Nirgendwo wagten. Nun hatten wir eine Loipe, die fast eben war und immer weiter ins Fjell hinein führte. Schon dies der absolute Wahnsinn. Bis zum Schluss schafften wir es ohne künstliches Licht, denn der Schnee reflektierte sehr gut. Nach 70 Minuten fanden wir, dass wir einen guten Einstand hatten und machten uns auf den Rückweg. Ich war ehrlich gesagt schon zum ersten Mal platt.

Das Nachtessen im Hotel war natürlich fantastisch, denn es gab norwegisches Essen – Fisch und Kartoffeln. Das Buffet bot aber auch allerlei Salate und sonstige Leckereien an, wir wurden auf jeden Fall satt. Und freuten uns auf den nächsten Tag. Nach einem auch sehr leckeren Frühstück ging es bald zum zweiten Mal auf die Loipe, diesmal von etwas weiter oben. Wir hatten uns vorher auf einer Karte eine ungefähre Runde ausgedacht und begannen schon einmal mit einer zügigen Abfahrt. Das rächte sich dann bald einmal, denn alles, was wir runterfuhren, mussten wir wieder hoch. Leider hatte es die ganze Zeit Nebel, wir sahen von der Landschaft nicht wirklich viel. Dennoch hielten wir es gute drei Stunden aus, und ich war schon das zweite Mal platt und sicher, am nächsten Tag tot umzufallen.

Zum Glück gab es wenigstens ein paar Stunden Schlaf zwischen den Trainings…. Übrigens lief Florian jeden Tag mit mir zusammen, allerdings machten wir es so, dass er jeweils bis zur nächsten Abzweigung voranlief und dann zu mir zurückkehrte. So machte er mindestens eineinhalb mal soviel Strecke wie ich und konnte sein Tempo laufen.

Am Samstag musste ich dann für das Vormittagstraining Forfait geben, ich hätte sonst den Nachmittag nicht mehr überlebt. Auf diesen freute ich mich jedoch sehr, denn der Samstag war unser «lang-Langlauf-Tag. Ungefähr vier Stunden sollte es dauern. Florian zog deshalb allein seine Runden, verlief sich auf der Loipe von Lillehammer und kam schon am Morgen in den Genuss eines längeren Trainings. Ich machte mich für den Nachmittag bereit, indem ich noch etwas schlief. Als wir dann losfuhren, war es in Lillehammer nach wie vor neblig, doch als wir nach Sjusjøen kamen, begrüsste uns die Sonne.

Wahnsinn, die Gegend sah komplett anders aus. Märchenhaft schön. Weisser Schnee, grüne Tannen und sonst nichts als endlose Weite. Es waren schon einige Autos auf den Parkplätzen, aber bei einem Loipennetz von insgesamt 330 Kilometern spürt man von der Menschenmenge absolut nichts. Wir schafften die vier Stunden, aber ich gestehe, am Schluss war ich – Achtung jetzt kommts – komplett platt. Die letzte halbe Stunde litt ich extrem, denn es ging noch einen Hügel hinauf. Allerdings entschädigte mich der Blick von oben in den Abendhimmel für das ganze Leiden – es war traumhaft schön und ich war mir absolut sicher, den schönsten Tag des Jahres 2019 erlebt zu haben! Allerdings hatte ich nicht mit dem Sonntag gerechnet…

Auch wenn wir dann nur noch zwei Stunden zur Verfügung hatten, weil wir ja wieder nach Hause mussten, genoss ich diese Zeit noch einmal sehr. Ich war zwar schon müde, als ich in die Loipe stieg, aber dann schaffte ich es, nur noch zu geniessen. Flach war es diesmal zwar überhaupt nicht, denn wir wollten von den Hügeln aus die Weite geniessen, aber irgendwie kam ich überall hoch. Die Sonne zeigte sich noch einmal von ihrer besten Seite, es war schlicht fantastisch und ich wurde wirklich unsicher, welcher Tag nun der bessere war. Florian half mir, indem er vorschlug, dies zum schönsten Wochenende des Jahres zu kürzen.

Ich hatte in diesen vier Tagen Kilometer «geschrubt», wie schon lange nicht mehr, am Schluss fühlte ich mich tatsächlich um Jahre gealtert, also so um die hundert – aber nur ganz kurz, denn Glück hält bekanntlich jung – glaube ich… und davon hatte ich jede Menge!

Mir fiel beim Langlaufen in Norwegen einiges auf. Zum ersten, wie entspannt dort oben die Leute sind. Ich hatte das Gefühl, alle strahlten mit der Sonne um die Wette. Die Schnellen nahmen Rücksicht auf die Langsamen und umgekehrt. Zum zweiten, wie viele Familien mit Kindern unterwegs waren. Ich vermute, dass die jüngsten nicht älter als zwei, drei Jahre waren. Egal ob Klassisch oder Skating, die Kleinen gaben sich grosse Mühe, voranzukommen. Und die Eltern hatten eine Engelsgeduld. Die ganz kleinen Kinder wurden in praktischen Schlitten nachgezogen. Zum Dritten konnten die Hunde mitlaufen, alle mit Finken an den Pfoten, und hatten offenbar Spass. Zum vierten hatte man Zeit, denn überall sassen die Norweger im Schnee und genossen die Gegend. Zum fünften, alle, mit denen wir sprachen (wir sprachen mit vielen), hatten irgendwo eine Hütte und waren jedes Wochenende am Lanlgaufen…

Nach den letzten beiden Stunden im Schnee gings zurück ins Hotel, wo wir packten und schon bald einmal auscheckten. Danach besuchten wir die Olympiaschanze von Lillehammer und genossen ein letztes Mal den Schnee, die Sonne und eine fantastische Aussicht. Florian fuhr uns zwei dann zurück zum Flughafen, wir gaben das Auto ab und ab ging es nach Hause. Es wurde spät, bis wir daheim waren, aber: das macht absolut nichts!

Ich fand es toll, einmal ein paar Tage nur mit Florian zu verbringen, wir hatten gute Gespräche und wirklich eine fantastische Zeit auf den Skiern, ich denke, das sollte ich in Zukunft öfter mit meinen erwachsenen Kindern machen – Zeit schenken!

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