Als ich noch um einiges jünger war, dachte ich immer, ich hätte Energie für zwei Leben und begriff die Ü50-Leute überhaupt nicht, welche sich nach einem ruhigen Leben sehnten. Ich zog meine drei Kinder auf, überlebte die Scheidung und die KV-Ausbildung, trainierte eisern für OL’s und Marathons und fand, dass mein Leben spiessiger nicht sein könnte.
Nun bin ich selber Ü50, und mein im Moment sehnlichster Wunsch ist, dass auch mein Leben irgendwann in ruhigere Gefilde fliessen wird. Im Moment sieht es einfach nicht danach aus. OK, wenn ich ehrlich bin, ist alles praktisch selbst gewollt und verursacht.
Ich finde mein Leben überhaupt nicht spiessig oder langweilig. Aber ruhig eben auch nicht. Und das widerspricht eigentlich dem gängigen Bild, dass man ab einem «gewissen Alter» (wann ist das Alter überhaupt gewiss) ein paar Gänge runterschalten sollte. Vielleicht schaffe ich es dann im nächsten Jahr, dieses Runterschalten.
Dieses Jahr war turbulent, es passierte viel und wird auch noch passieren. Anfang Jahr war ich mehr oder weniger oft krank, hustete, nieste und röchelte, sodass im April eine Nasen-OP unausweichlich war. Diese legte mich aber noch einmal für ein paar Wochen ins Bett, richtig fit fühlte ich mich das erste Halbjahr nie.
«Unruhe», schöne Unruhe, brachte mein zweites Enkelkind Ronja, welche im Juni zur Welt kam. Nun bin ich schon Doppelgrossmutter und finde diese «Rolle» wirklich schön. Ich habe das grosse Glück, dass Thomas, Alex und die beiden Kinder in der Nähe wohnen und wir uns oft sehen. Im Moment hüte ich Robin, den grossen Bruder von Ronja, jeden Mittwoch, bald werden es beide sein. Ein erstes Probehüten fand vor einer Woche statt. Ich muss gestehen, ich bin nicht mehr zwanzig… was für eine Erkenntnis. Die beiden waren wahnsinnig lieb, pflegeleicht, dankbar für Zuwendung, und ich war am Abend tot. Ich weiss, dass es mit der Zeit einfacher und routinierter sein wird, aber ich gebe es zu, ich habe komplett vergessen, wie streng es mit zwei Kindern sein kann.
Unruhe brachten dieses Jahr aber auch meine beiden anderen grossen «Kinder». Sereina begann im September ein Studium, und ich probiere, so gut es geht, sie zu unterstützen. Im Moment gerade ist sie für eine Projektwoche im Tessin und ich hüte ihre beiden Kaninchen. Ich mag Tiere sehr, aber auch hier bin ich es nicht mehr gewohnt, diese zu füttern und zu misten. Ich muss achtgeben, dass ich es nicht vergesse…Auch sonst habe ich viele Gespräche mit Sereina, ab und zu plagen sie Zweifel, das Studium zu meistern, ab und zu wird ihr alles mit zusätzlicher Arbeit zu viel. Mit Sereina rannte ich dafür dieses Jahr an zwei Laufveranstaltungen und genoss dies sehr.
Florian hatte ebenfalls ein durchzogenes Jahr. Hier war es wichtig, zuzuhören und zum richtigen Zeitpunkt die richtige Hilfe anzubieten. Er ist im Sommer mit Lea zusammengezogen und meistert das eigenständige Leben sehr gut. Leider kämpft er immer noch mit den Folgen einer bakteriellen Infektion am Fuss und kann noch nicht so trainieren, wie er gern möchte. Als Mutter macht man sich halt auch dann Sorgen, wenn die Kinder eigentlich schon längst flügge geworden sind.
Das ist ja das Sonderbare am Muttersein. Ich dachte, wenn ich sehr jung Mutter sei, wäre ich auch jung genug, um mein eigenes Leben zu leben, wenn die Kinder gross sind. Nur dachte ich damals nie daran, dass man nicht einfach die «Mutterhaut» abziehen kann. Ich kann nicht mehr einfach «auf und davon», denn mir ist meine Familie viel zu sehr ans Herz gewachsen, egal ob Kinder, Schwiegerkinder oder Enkel.
Stefan und ich wohnen nun allein, und auf diese gemeinsame Zeit freue ich mich trotz allem sehr. Wir hatten ja als junge Leute die Möglichkeit nicht, nur zu zweit eine Wohnung einzurichten und das Leben zu planen. Als Stefan und ich zusammenkamen, waren die Kinder in der Pubertät. Nun aber werden wir ab dem ersten Dezember die «erste gemeinsame Wohnung» beziehen. Unser Haus in Stettlen ist uns zu gross geworden, viereinhalb Zimmer reichen in der Zukunft. Bis wir aber am neuen Wohnort eingerichtet sind, bis wir überhaupt umgezogen sind, dauert es noch etwas. Wir haben am Wochenende die ersten Kisten gepackt und gemerkt, dass wir ganz schön viel Plunder besitzen. Es hat sich allerhand angesammelt in den letzten 13 Jahren….
Als ich vor über dreissig Jahren bei meinen Eltern auszog, nahm ich meine ganzen Kisten mit und zügelte sie jeweils von einer Wohnung zur anderen. Letzten Freitag fuhr ich mit einem Auto voller Kisten wieder in die andere Richtung – ich brachte Überbleibsel aus der Kindheit meiner Kinder zurück zu den Eltern, respektive zum Vater. Wenn das nicht eine verkehrte Welt ist.
Mit bevorstehendem Umzug, Änderungen im Berufsleben (z.B. meine neue Halbselbständigkeit mit dem Schreiben von Biografien), dem Hüten der Enkel, den zweiwöchentlichen Reisen zum Vater nach Chur und dem immer noch geliebten Hobby Orientierungslauf wird es bei mir zwar jeden Tag einen Tag älter, aber auf keinen Fall ruhiger. Geht das allen so?
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