Grappa und Hühner mit Steigeisen

Vor bald einem Jahr reiste ich zum ersten Mal seit langem für ein paar Tage ins Puschlav, der Heimat meiner Mutter. Was ich dort erleben durfte, erzählte ich bereits auf meiner Webseite. Was ich mir nach diesen wunderbaren Stunden vornahm, erfüllte ich letztes Wochenende: Ich machte wieder die lange Reise über den Berninapass und besuchte meine Verwandtschaft. Diesmal war auch Stefan mit von der Partie.


Wir fuhren am Freitagmorgen los, genossen die Pässe Albula und Bernina in vollen Zügen (die Berge rundherum waren leicht „schneeüberzuckert“) und kamen am frühen Nachmittag in Brusio, also noch ganz unten im Tal, an. Von dort aus, respektive von Campascio, ging es dann die kleine, enge, kurvige Strasse hinauf in das Dörflein Cavaione. Wie jedes Mal, wenn ich von einer der unteren Kurven zum ersten Mal hinaufblicke, erschrak ich auch diesmal und dachte „meine Güte, wie kam man nur auf die Idee, dort oben Häuser zu bauen?“ und damals ohne Strassen, die erste wurde erst Anfang der siebziger Jahre gebaut.  Kein Foto der Welt zeigt auch nur annähernd, wie steil es ist. Die Häuser von Cavaione kleben einfach so an den Wiesen.

Wenn ich persönlich Ratschläge verteilen würde, dann diesen, dass man dort oben auch den Hühnern Steigeisen anziehen müsste. Stefan fuhr uns trotz allem sicher hinauf, so dass wir glücklich im Haus Monticelli, oder „il gatt“, wie es von den Einheimischen genannt wird, ankamen. Mein Nonno oder gar mein Bisnonno waren als Dachdecker (geschmeidig wie die Katzen) wohl für diese Bezeichnung verantwortlich. Antje begrüsste uns herzlich, und nach kurzem Zimmerbezug marschierten Stefan und ich ein erstes Mal hoch – und damit meine ich wirklich hoch. Wir spazierten der Strasse entlang hinauf zu den letzten Häusern von Cavaione.

Von dort hatten wir eine fantastische Aussicht und genossen diese bei herrlichem Sonnenschein. Danach ging es noch ein kurzes Stück dem Wanderweg entlang Richtung Giümelin. Kurz nach dem Antennenturm kehrten wir um, für den ersten Tag hatten wir uns genügend bewegt.

Am Abend gab es ein feines Essen (Pizzoccheri), welches uns Antje zubereitete. Ich genoss es, in der gleichen Küche zu sein, in welcher meine Mutter als Kind von meiner Tata bekocht wurde. Allerdings konnte ich mir fast nicht vorstellen, dass im ehemals kleinen Bergbauernhaus bis zu zehn Personen Platz finden mussten. Zwei Zimmer, eine Küche, das wars. Kein Vergleich mit dem Bijoux, zu dem das Haus mittlerweile geworden ist. Die Nacht im „Adlerhorst“ ging gut vorüber, und Stefan und ich freuten uns auf die Wanderung hoch hinauf zum Giümelin und danach noch etwas weiter. Wir marschierten um halb zehn Uhr los, diesmal nicht auf der kurvigen Strasse, dafür auf dem steilen Wanderweg (schrieb ich schon einmal, dass es steil war?). Wir kehrten nun am Turm nicht um, sondern folgten dem Weg immer weiter hinauf, bis wir irgendwann an eine Wiese und einen kleinen Jagd-Unterstand kamen. Von dort ging es noch einmal hinauf, und plötzlich tat sich vor unseren Augen das obere Puschlav auf. Wir waren beim Giümelin angekommen. Die Aussicht auf den Lago di Poschiavo und die kleinen Dörfer war fantastisch. Das Gefühl, dort oben zu stehen, war unbeschreiblich. Das hatte sehr viel mit Freiheit zu tun, oder dem Himmel nahe zu sein.

Nun ging es nicht mehr so lange, bis wir bei unserem Tagesziel, Secondos Jagdhütte, ankamen. Wir wurden bereits erwartet und von Secondo, Anna, Ethel, Danilo und Ezio willkommen geheissen. Hier in der Hütte erlebten wir Gastfreundschaft pur und verbrachten ein paar gemütliche Stunden bei gutem Essen (Wurst, Brot, Kartoffeln, Salat) und feinem Wein. Als Höhepunkt sozusagen leistete ich mir einen Grappa im Kaffee. Stefan staunte nur noch und war ein wenig besorgt, ob ich es danach wieder nach Cavaione hinunterschaffen würde. Ich tat es. Zwar mit ein wenig wackligen Beinen, aber tapfer hinter Ezio (ein 80 Jahre alter Schulfreund meiner Mutter) hergehend, welcher uns den ersten Teil nach unten begleitete. Bis wir dann zurück in Cavaione waren, waren meine Beine auch wieder trittsicher.

Der Abend mit feinem Essen und guten Gesprächen ging viel zu schnell vorbei, wir wussten, dass wir uns am nächsten Morgen bereits wieder von Antje verabschieden mussten. Ich werde die Gastfreundschaft, die Ruhe, das Gefühl des „Daheim seins“ vermissen und freue mich schon jetzt auf meinen nächsten Besuch. Wer mehr wissen will über diesen magischen Ort, hier ist Antjes Webseite: www.monticelli-cavaione.ch.

Die Heimfahrt verlief fast störungsfrei. Einzig am Berninapass gab es eine Zwangspause, weil auf der Passhöhe ein Oldtimerrennen stattfand. Aber das störte uns nicht gross, wir hatten ja fast so etwas wie Ferien….

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