Wenn ich im Moment aus dem Fenster schaue, dann möchte ich am liebsten irgendwo draussen sein, auf einem Liegestuhl liegen und ein spannendes Buch lesen. Oder an einem Pullover stricken. Oder den Enkelkindern beim Spielen helfen. Oder gerne ein wenig joggen…. Nur geht gerade das nicht so wie ich es will. Das Joggen, meine ich. Alles andere schon.
Ich lese viel und stricke viel, weil ich eben nicht joggen kann. Vor bald zwei Monaten knallte es mich beim Joggen ohne Grund auf den Boden. Das Knie ist seitdem lädiert und ein paar Rippen mit grosser Wahrscheinlichkeit gebrochen. Zeit und Geduld reichen jedoch, um beides wieder zu flicken. Zeit habe ich, Geduld leider nicht. Deshalb habe ich mich entschieden, den Winterschlaf noch etwas zu verlängern, Sonne und Wärme zum Trotz. Mit den Enkeln kann ich auch so spielen, es sei denn, ich muss mit ihnen auf dem Boden knien oder sie in der Luft herumschwingen. Sie nehmen beide grosszügig Rücksicht auf die arme, alte Tata Silvia und versuchen, mich zu schonen…
Aber schön ist es schon, dem Winter adieu zu sagen. Mitte März versuchten Stefan und ich dies, indem wir für ein paar Tage nach Slowenien fuhren. Schon seit einigen Jahren beginnen wir unsere OL-Saison in Lipica, geniessen tolle Wettkämpfe, gutes Essen und treffen Freunde. Dieses Jahr war ich als Zuschauerin dabei, was wirklich nicht so lustig war. Aber es war ok. Nächstes Jahr werde auch ich wieder in den Steinen und Löchern rund um Lipica herumirren und mich über meine eigenen Fehler ärgern. Dieses Jahr wird der Start meiner OL-Saison auf irgendwann später verlegt.
Langweilig ist es mir trotzdem nicht. Ich bin immer noch am Umbauen, ja, ja, darüber habe ich schon genug gejammert. Doch es ist ein Ende in Sicht, im Moment wird die Küche eingebaut, danach erstrahlt mein Häuslein in neuem Glanz. Jetzt, wo es langsam dem Ende zugeht, freue ich mich riesig darauf, wieder nach Ilanz zu fahren, die Möbel wieder an die richtige Stelle zu schieben, Geschirr, Töpfe, Krüge und Pfannen einzuräumen und wieder ein wenig im Garten zu graben. Das werden Auszeiten der besonderen Art. Ich glaube, die haben wir wohl alle nötig. Mal ein wenig weg von Corona, von Krieg, von Ängsten und Sorgen. Trotzdem werde ich auch diese Aktualitäten mit nach Tischinas nehmen, über alles nachdenken und versuchen, damit klarzukommen. Tischinas ist eine Oase, aber die heile Welt rundherum gibt es leider nicht.
Als Stefan und ich in Slowenien waren, lernten wir eine junge Frau und ihre Tochter aus Kiew kennen. Sie haben Zuflucht in Deutschland gefunden. Ich fand es stark, wie diese Frau ihre Tochter beschützt und alles tut, damit das Kind einigermassen gut aufwachsen kann. Ich fand es stark, wie reflektiert sie über den Krieg sprach, was für Gedanken, Hoffnungen und Ziele sie hat. Wäre ich als junge Frau auch so gewesen?
Gedanken mache ich mir auch über Menschen, die andere nicht in Ruhe lassen, sie gezielt diffamieren. Was sind das für falsche Freunde, welche die Fortsetzung einer Spitzensportkarriere zerstören und die psychische Gesundheit eines jungen Menschen nachhaltig beeinträchtigen? Warum gibt es solche Menschen? Sie platzen mitten in normale Familien und schaffen viel Leid. Um noch mehr Leid zu verhindern, muss zum Teil ein ganzes Leben neu überdacht und geordnet, Vertrautes und Geliebtes aufgegeben werden. Ich wünsche mir bei solchen Ereignissen nur Kraft für die direkt Betroffenen und den Mut, neue Wege zu bestreiten. In meiner Familie müssen neue Wege gefunden und gegangen werden.
Im Moment wäre ich wirklich gern noch im Winterschlaf, müsste über vieles nicht nachdenken, über vieles nicht reden. Aber der Winter ist vorbei und der Frühling hält Einzug. Wie heisst es so bezeichnend: Das Leben ist schön, von einfach war nie die Rede…